Nostalgie & Futurologie

ebikeHeute Morgen war ich wie jeden Morgen mit Øsel unterwegs. Es war sehr nebelig und es nieselte leicht. Urplötzlich schoss ein Fahrrad lautlos mit mindestens 40 km/h an uns vorbei. E-Bikes sind nun mal sehr leise und sehr schnell und die Anzahl derer die sie nutzen steigt rapide.

Als ich noch ein Kind war fuhren die Leute noch Mopeds oder Mokicks. Diescooter hatten 1-Komma-noch-was PS und fuhren max. 25 km/h.  Zudem hörte man sie schon lange, sehr lange, bevor sie einen dann tatsächlich im Schneckentempo überholten.

telefonzelle altDamals ging man zum Telefonieren auch noch in die Dorfwirtschaft, jedenfalls wenn man so wie ich auf dem Land wohnte. Telefonzellen gab es nur in der Stadt. Auch wenn man mal Fernsehgucken wollte, ging man in die Wirtschaft. Meist wenn Fußball lief — oder etwas mit Rudi Carrell. Auch das Eis, das es im Sommer sonntagsmittags nach dem Schweinebraten gab, stammte aus der Dorfwirtschaft. Man musste dann rennen, damit nicht alles schon geschmolzen war, wenn man zu Hause ankam. Aber damals war das Eis auch noch viel härter und man musste es so oder so mindestens 20 Minuten vor dem Verzehr erst „antauen“. Aber damals war der Sommer auch noch der Sommer und es war HEISS!

iphoneHeute weiß man meist nur noch dass Sommer ist, weil der Kalender es sagt. Und heute hat jeder ein Smartphone. Damit kann man dann notfalls auch mal fernsehen, nur Eismachen kann das Smartphone noch nicht. Aber auch das ist wohl nur noch eine Frage der Zeit, bis z.B. intelligente 3D Drucker auch leckeres Eis oder schmackhafte Brötchen drucken können, die ich zuvor vielleicht mit dem Smartphone fotografiert habe.

oldtimerJemand der heute 80 Jahre ist kann sich noch an Autos mit Trittbrett, Männer mit Hüten und Frauen die nie etwas anderes als lange, weite Röcke trugen erinnern. (Obwohl es damals sehr wohl schon Minikleider gab. Man denke an den Charleston.) Der heute Achtzigjährige hat einen Weltkrieg erlebt, die Atombombe, die Kubakriese, die erste Mondlandung, Cassius Clay, Marylin Monroe, Elvis und die Beatles. Flower Power, LSD, Antibiotika, Antibabypille, Schluckimpfung und Viagra (wenn auch nicht unbedingt in dieser Reihenfolge). Die Erfindung von Langspielplatte, Kreditkarte, Buntfarbfernsehen, Filzstift, Kassettenrecorder, Faxgerät, Internet, Mikrochips, Mobiltelefonen, Stretch Jeans, Elektroautos. (Tatsächlich gab es die ersten Mobiltelefone vor der ersten Stretch Jeans.) Die erste Herztransplantation, das erste Facelifting, das erste Retortenbaby, bis hin zu Silikonimplantaten — das alles hat ein heute 80zigjähriger miterlebt.

moon-walkIch bin 50 und an das Meiste davon kann auch ich mich noch erinnern — obwohl ich auf einige Erinnerungen gerne verzichten würde. (Zum Beispiel den Auftritt von Hildegart Knef im Fernsehen, nach eben einem dieser ersten Faceliftings und an den Flug von Düsseldorf nach Barcelona, als eine Passagierin hysterisch wurde, weil sie plötzlich befürchtete ihre Silikonimplantate könnten durch den Luftdruck in der Kabine platzen.) Aber es gibt auch tolle Erinnerungen. Die erste Mondlandung zum Beispiel, die ich auf einem winzigen schwarz-weiß Fernseher mitverfolgte und obwohl ich damals noch keine 5 Jahre alt war, habe ich immer noch eine sehr deutliche Erinnerung daran.

Was werden die nächsten 80 Jahre bringen? Jemand der 2015 geboren wird, was wird diese Person alles sehen und erleben und durch welche Erfindungen oder Zeitgeschehnisse wird ihr Leben geprägt werden? Den Beginn können wir an dieser Stelle ja schon einmal wagen.

deloreanDiese Person wird sich wahrscheinlich noch an benzinbetriebene Autos erinnern können, obwohl zu dem Zeitpunkt wo sie oder er den Führerschein machen wird die Anzahl der Elektroautos wohl überwiegen wird. Und zumindest das Erlernen des Einparkens wird sich bis dahin erübrigt haben (nicht dass es je viel gebracht hätte), aber in 20 Jahren werden bestimmt alle Autos „Smartcars“ sein, die selbständig einparken — neben einigen anderen Fähigkeiten. (Zum Beispiel könnte es ja sein, dass das Smartcar der Zukunft automatisch erst einmal den Atem des Fahrzeugführers kontrolliert und dabei den Alkoholpegel misst. Ist dieser zu hoch, schaltet das Smartcar einfach auf stur und lässt sich gar nicht erst starten.) Und vielleicht gibt es bis dahin ja auch schon Wasserstoffbetriebene Vehikel die mit Hovercraft über den Boden schweben oder man tüftelt bereits an Antrieben die mit Antimaterie befeuert werden. Marty McFly lässt grüßen. Auch Flüge nach Amerika oder Asien dauern in 20 oder 30 Jahren wahrscheinlich nur noch 2 Stunden, weil die Flugzeuge als Hybrid zwischen Flugzeug und Raumgleiter konstruiert werden, die Passagiere durch das Orbit zum Ziel transportieren. Vielleicht nennt man diesespace ship Fluggeräte dann „Spaceplanes“? Die Spaceplanes würden Kraftstoff und Zeit sparen und würden ergo alle Passagiere automatisch zu Astronauten machen.

Unser 2015 geborener Proband würde sich auch noch an Männer erinnern deren Unterhosen über den Rand ihrer Jeans herauslugen und an Frauen die nie etwas anderes trugen als viel zu enge Stretch Jeans. Was jedoch die Mode in 20, 30 oder gar 50 Jahren angeht, so denke ich, dass die Kleidung funktioneller wird. Jacken werden sich bis dahin der Außentemperatur anpassen oder den Hitzewallungen bei Wechseljahrsbeschwerden (wenn es bis dahin nicht auch schon eine Pille dagegen gibt-!!) Die Unterwäsche hingegen misst dann vielleicht den Zuckerspiegel bei Diabetikern und gibt bei Bedarf Insulin ab, dass so modifiziert wurde, dass es über die Haut absorbiert werden kann. Aber ich verwette meinen Hintern darauf, dass es auch dann noch immer ein paar Alt-Hippies gibt. Allerdings nennt man die dann wohl eher Alt-iPaddies, Millenium-Grufties oder Madonna-Mumien — Menschen der Generation Z die sich weigern ihren asymmetrischen Kurzhaarschnitt mit grünen oder lila Strähnen und die heißgeliebte Stretch Jeans gegen dezente Kleidung zu tauschen. So wie sich heute die Alt-Hippies der Generation X immer noch weigern ihren Fuko-Hilo schneiden zu lassen und die auch nie im Leben etwas anderes tragen würden als ihre ausgewohnte Lederhose.

future girl…Wenn unser Proband Pech hat, erlebt er in den nächsten 80 Jahren auch mindestens einen weiteren Weltkrieg, die Super-Atombombe, den zweiten kalten Krieg, die erste Marslandung, wie u.a. Amsterdam und Manhattan im Meer versinken — und ein paar Sportler, Sänger oder andere Promis werden sich auch in sein Gedächtnis fressen.

Was dann folgen könnte wären Avatar Power statt Flower Power, 3-D LSD, Antikarzinom (die Pille gegen Krebs), Pro-Babypille statt Anti-future humanBabypille und Körperteil-Klone die uns als Ersatzteillager dienen. Nur Schluckimpfung oder Viagra braucht in 80 Jahren wohl kein Mensch mehr. Viel wahrscheinlicher wäre schon in 20 Jahren eine Pille die wie eine radikale Frischzellenkur gegen freie Radikale (freie Radikale in unserem Körper —  nicht die Linken oder Rechten von der Straße) vorgehen würde. Ein dann 50zigjäriger würde immer noch so fit und mobil sein, wie ein 20zigjäriger und er würde auch so aussehen. Und ein dann 80zigjähriger würde immer noch als 50zigjähriger durchgehen. Die Lebenserwartung läge dann bei durchschnittlich mindestens 100 Jahren und was das mit unserem Gesundheitssystem machen würde, daran wage ich gar nicht zu denken. Aber wahrscheinlich müssen die Menschen dann auch Arbeiten, biss dass sie mindestens 90 sind! Diese Jungbrunnen-Pille könnte dann den Namen Vitagra tragen. Und natürlich gäbe es auch keine Dumpfbacken mehr, weil ein biologischer Mikrochip im Hirn auch die Unterbelichtesten unserer Spezies auf Einsteins Niveau katapultieren würde. Etwas Auswendiglernen bräuchte dann also niemand mehr. Man würde einfach mit den Augen einen Screenshot der zu importierenden Datenmenge (z.B. wie lange dauerte der 30zigjährige Krieg) machen und dann auf der externen Festplatte im Gehirn aufschlagen. Mittels Gedankensuchmaschine könnte man dann alles, das man auf diese Weise irgendwann einmal abgespeichert hat wiederfinden und ggf. auch löschen. Vielleicht lassen sich ja bis dahin auch Negativerlebnisse oder Traumata auf diese Weise löschen, ergo gäbe es keine Psychotherapeuten mehr.

future imageUnser 2015 geborener Proband würde vielleicht die Erfindung von Smartphones und Flat Screens erleben, die so dünn wie Cellophanpapier sind und auch so aussehen. Kreditkarte und Personalausweis werden wahrscheinlich zu seinen Lebzeiten durch einen Iris Scanner ersetzt, der das Bankguthaben, etwaige Vorstrafen und eventuelle Krankheiten genauso anzeigt, wie er es jedem Menschen ermöglicht über seine einzigartige Iris Bezahlungen zu tätigen oder sich auszuweisen. Über den Himmel schweben dann vielleicht Cargo-Zeppeline deren Hülle aus ultraleichten Solarzellen besteht, die als Sprühfarbe auch auf die Dachpfannen von Häusern aufgetragen werden können. Die Menschen schotten sich immer weiter ab, jedenfalls die, die es sich leisten können. Autarke Häuser mit eigener Wasseraufbereitungsanlage und eigener Energieversorgung werden ebenso normal sein, wie das kaum noch ein Mensch seinen Alltag ohne das Internet der Dinge planen oder gestalten kann. Die Superreichen leben in 50 Jahren auf schwimmenden Inseln im Meer und auch Städte, die sich durch hohe Mauern und den Schutz privater Sicherheitsfirmen auszeichnen werden normal sein, denn Willkür und eine sinkende Frustrationsgrenze (oder ein steigendes Aggressionspotential, je nachdem wie man es nun nennen möchte) werden drastisch zunehmen. Denen die dem Alltag dann entfliehen möchten und kein Geld haben sich abzuschotten oder zu verreisen bleiben die Holodecks. Holo-Junkies nennt man sie — und ich muss jetzt aufhören, bevor ich mich immer mehr in diese Zukunftsvisionen hineinsteigere. Ich möchte nicht zum Nostradamus werden.

GlühbirneWer weiß, vielleicht lese ich diesen Blog noch einmal in 20 Jahren. Wer weiß, ob ich dann schmunzele, den Kopf schüttele oder weinen werde. Ergebenst eure Juliette Verne, alias xine.

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