Deutschland muss billig

Vor ein paar Tagen, endlich schien nach den langen Regenfällen einmal die Sonne, da nutzten Theo und ich die Gelegenheit, um abends noch schnell eine Runde Golf zu spielen. Und weil der Abend wirklich schön war, haben wir anschließen auf dem Golfplatz auch noch etwas gegessen. Das Essen dort ist ganz OK, es könnte aber mit Sicherheit besser sein, wenn mehr Leute bereit wären, für einen Teller Spaghetti oder einen großen Salatteller mehr als 9,90 Euro zu bezahlen.

golf-503142_640Was das Golfen selbst angeht, so habe ich denn auch immer noch nicht entschieden, ob ich mich deshalb nicht doch eher schämen müsste. (Das ist auch der Grund, warum ich bislang noch nicht darüber gebloggt habe.) Es scheint nämlich zumindest so, als ob der Golfsport besonders viele Idioten und Snobs anziehen würde, so ähnlich wie Fußball besonders viele Chaoten anzieht. Und obwohl viele der Hobbygolfer auch wirklich ganz nett sind — und dies ganz unabhängig von ihrem Handicap —, reichen in der Regel doch schon ein paar der oben genannten Vollpfosten, um die ganze Atmosphäre zu verpesten! Golfen macht Spaß, gar keine Frage, selbst wenn man so untalentiert darin ist wie ich. Trotzdem würde ich bspw. niemals so dumm sein, den Charakter oder die Intelligenz einer Person generell nach ihrem Golfhandicap zu beurteilen, etwas, dass unter Hobbygolfern allerdings weit verbreitet ist. (Oh je, ich merke gerade, dies wird mal wieder ein sehr langer Blog!) Golf ist jedenfalls wie Spazierengehen mit Nachdenken. Es ist ein Sport für Jung und Alt und ich habe mittlerweile auch meine Meinung revidiert, dass Golf ja eigentlich kein richtiger Sport ist, weil man sich dabei körperlich nicht wirklich verausgabt. Natürlich lässt sich Golf nicht mit Marathonlaufen oder Kraftsport vergleichen, aber wer erst einmal 18 Loch über den Golfplatz marschiert ist — sicherlich, wenn er dabei vorzugsweise (so wie ich) seine Golftasche auch noch trägt, statt sie in einem Kinderwagen-ähnlichem Gefährt vor sich herzuschieben —, der weiß doch anschließen, was er getan hat. —Allerdings ist Golfen ein relativ teurer Sport: Der Erwerb der Platzreife, die Jahresmitgliedschaft in einem Golf Club, Schläger, Tasche, Trolley, am besten noch regelmäßiger Unterricht und nicht zu vergessen die Golfklamotten — vorzugsweise von Golfino, J. Lindeberg, Ralph Lauren oder Sportalm. Wer’s nicht so Dicke hat, trägt Canvas-Hosen oder Sachen von Brax und Alberto. Bluejeans sind jedenfalls verpönt und genaugenommen laut, der Golf-Etikette, auch gar nicht erlaubt und natürlich trägt man auch keine T-Shirts, sondern Polo-Shirts, nicht zu vergessen die Golfschuhe.

currywurst-1264222_640Warum ich das alles schreibe? Damit auch die Nicht-Golfer unter den Lesern einen guten Eindruck bekommen. Man sollte nämlich meinen, dass jemand der sich den „Luxus“ leisten kann, zu golfen, der obendrein wahrscheinlich auch noch Mercedes oder Porsche fährt und/oder ein Ferienhaus in Spanien besitzt, bspw. auch Wert auf hochwertige Lebensmittel oder eine gute medizinische Versorgung legt. Man sollte meinen, dass jemand der mehrere Golfhosen zu 200 Euro das Stück besitzt oder ohne mit der Wimper zu zucken 500 Euro für einen neuen Driver (Golfschläger) ausgibt, obwohl der alte kaum gebraucht ist, auch Geld für gutes Essen ausgibt und eine Therapie auch mal aus eigener Tasche bezahlt. Nun dem ist bei weitem nicht so! Wehe der Golfplatz arrangiert ein Turnier und verlangt von den Teilnehmern mehr wie 10 Euro für das anschließende Büffet oder Essen. Und natürlich wird immer gemeckert: zu wenig Fleisch, zu wenig hiervon, davon usw. Am liebsten haben aber (fast) alle eine Currywurst oder Schnitzel, vorzugsweise mit Pommes natürlich, aber es darf auf keinen Fall mehr wie 4.50 Euro kosten! Und bevor mal jemand den Sportarzt selbst bezahlt, weil seine Kasse für die Leistung nicht aufkommt, humpelt er lieber weiter. Vielleicht ist es ja auch deshalb ganz gut, dass ich Golf spiele. Dadurch bin ich nämlich gezwungen, auch wieder mehr unter Menschen zu gehen. Bislang dachte ich nämlich immer irgendwie, dass jemand der Wert auf ein Auto der Luxusklasse legt, oder der nur Designerklamotten trägt und in einem teuren Haus wohnt, der immer Businessklasse fliegt (was ich zugegebenermaßen nun wirklich rausgeschmissenes Geld finde), auch automatisch Wert darauf legt, seinen Körper zu pflegen. Und damit meine ich natürlich nicht die tägliche Dusche, sondern gutes und gesundes Essen und was der Körper sonst noch so braucht, um gut zu funktionieren. Das stimmt aber nicht — ganz und gar nicht!

EK WagenEssen und Lebensmittel müssen in Deutschland bspw. billig sein, auf wenige Ausnahmen nach**. So will denn auch die Mehrheit der Deutschen, unabhängig davon, wie dick ihr Portemonnaie nun ist, für Lebensmittel einfach kein Geld ausgeben. Das hochwertige Lebensmittel, wie >ganz< frisches Obst, Gemüse, Fisch und Fleisch (und ich rede hier nicht zwingendermaßen von Bio-Produkten) auch mehr kosten, wie Kelleräpfel, viel zu fetter Lachs aus Zuchtstationen, oder Fleisch von Tieren, die nie auch nur einen Sonnenstrahl gesehen haben, geschweige denn, jemals einen frischen Grashalm kosteten, geht den Deutschen einfach nicht in den Schädel. Aber für eine Designerjeans aus 100% Baumwolle bezahlen wir gerne das fünf- oder zehnfache, obwohl 100% Baumwolle immer 100% Baumwolle ist und es ja auch nicht so ist, dass die Baumwolle, welche die großen Labels verwenden, Fair Trade angebaut, bzw. geerntet wurde. (**Es mag zwar so klingen, als würde ich verallgemeinern, aber ich bin mir durchaus bewusst, dass es außer mir auch noch einige andere Leute gibt, die ebenfalls Wert auf Qualität legen, wenn es um Ernährung und Gesundheit geht. Leider sind es nicht genug, sonst könnten Billig-Supermärkte gar nicht überleben und es gäbe wesentlich mehr Bioläden! …Und was die Designerjeans angeht, so gebe ich unumwunden zu, dass diese auch für mich die einzig „wahre Religion“ sind.)

Als Theo und ich jedenfalls so beim Abendessen auf dem Golfplatz saßen, konnten wir leider auch nicht umhin, die Unterredung ein paar Tische weiter mitanzuhören. Es ging um Sonderangebote. Verblüfft hörte ich, dass es Menschen gibt, die zwar durchaus bereit sind, mehrere Tausend Euro pro Jahr an ein Hobby zu spendieren, aber zu Hause akribisch alle Wurfsendungen nach Sonderangeboten durchsuchen. OK, dafür benötigt man natürlich auch Zeit, Zeit die ich dann doch lieber für etwas anderes nutze. So rief denn auch die Dame am Nachbartisch vollkommen euphorisch aus, dass sie in einer ihrer Wurfsendungen gelesen habe, dass dieser oder jener Discounter Jogurts für 29 Cent im Angebot hatte. Da sei sie denn auch gleich hingefahren und habe eine ganze Palette gekauft! Und dann was, habe ich so bei mir gedacht. Eine Palette Jogurts sind wahrscheinlich 25 Stück — für einen zwei Personenhaushalt. Entweder die Dinger bestehen zu 90% aus Konservierungsstoffen und sind 12 Monate haltbar oder aber diese Dame und ihr Gatte würden sich die nächsten Tage ausschließlich von Jogurts ernähren! Und dann meckern, dass sie immer mehr an Gewicht zunehmen, trotz regelmäßiger Bewegung beim Golfspiel.

GammelfleischEgal, ob es nun die Lasagne für 1 Euro oder das Jogurt zu 29 Cent ist. Wo billig draufsteht, kann auch nur billig drin sein! Meine Lieblingsjogurts bspw. sind aus Soja und kosten zw. 70 und 80 Cent das Stück. Aber erst wenn irgendein Institut dann mal diese Billiglebensmittel unter die Lupe nimmt und feststellt, in den Teigtaschen war Klopapier statt Fleisch, das Olivenöl ist mit Mineralöl gepanscht, bei den Fruchtstückchen im Müsli handelt es sich lediglich um rot eingefärbte Glukosebällchen und die Tintenfischringe sind in Wahrheit aus Schweinedarm hergestellt — ja dann ist die Empörung groß!

crying cowVor ein paar Wochen waren die Milchbauern mal wieder in den Nachrichten. Beim Discounter kostet der Liter Milch weniger als 50 Cent. Selbst der Liter Sprudelwasser kostet teilweise mehr! Manchmal glaube ich wirklich, wir Deutschen gönnen es den Bauern nicht, dass auch sie ihr Geld verdienen! Theo und ich kaufen unsere Lebensmittel ja fast ausschließlich in Holland. Dort sind die Lebensmittel zwar wesentlich teurer, aber erstens ist die Qualität dort etwas besser und zweitens ist auch die Auswahl wesentlich größer. (Ihre Wassertomaten bspw. verkaufen die Holländer prinzipiell nur nach Deutschland!!) Aber natürlich ist auch ein holländischer Supermarkt nicht ansatzweise zu vergleichen mit einem Supermarkt in Italien, (Süd)Frankreich oder Spanien. Dort gehört GUTES Essen zur Lebenskultur! Essen gilt dort als GENUSS. In Deutschland wird vorwiegen gefressen: so schnell wie möglich, so viel wie möglich und das alles auch noch möglichst billig. Ein Bekannter von mir schwärmte immer von einem Chinesischen Restaurant, wo er gerne mittags hinfährt, weil es dort dann ein Büffet gibt. Also wollte ich ihm mal eine Freude machen und habe ihm dort zwei Gutscheine gekauft. (Naiv wie ich bin, hatte ich dafür 100 Euro eingesteckt.) Schon beim Betreten des Restaurants wurde mir allerdings von dem Geruch, der mir entgegenschlug übel. Ich habe dann zwar die Gutscheine gekauft (zu 14,95 Euro das Stück), ich hatte allerdings ein schlechtes Gewissen: Essen das so stinkt, kann einfach nicht gesund sein! —Ob es „lecker“ ist, ist dann ja noch immer eine Frage des (guten) Geschmacks und mit Geschmacksverstärkern oder künstlichen Aromastoffen lässt sich ja bekanntlich auch ganz schön was zaubern. (Anders könnte der Billig-Kirschsaft, der nur aus künstlichem Kirscharoma, rotem Farbstoff, Wasser und Zucker besteht, ja auch nicht nach Kirschen schmecken.) Außerdem: ein Restaurant, das ein All-you-can-eat Büffet für 14,95 Euro pro Person anbietet und trotzdem noch was verdient, kann auch unmöglich mit qualitativ guten Lebensmitteln arbeiten! Trotzdem boomen diese All-you-can-eat-Restaurants, wo man sich für unter 15 Euro die Wampe vollschlagen kann.

Massage auf RezeptIch habe dann zwar auch versucht, meinem Bekannten ins Gewissen zu reden, denn in vielen Dingen ist auch er eher ein „Lebemann“ und bevorzugt Qualität — eben nur nicht, wenn‘s ums Essen oder seine Gesundheit geht! Dieser Bekannte von mir läuft nun nämlich auch schon seit sicher zwei Jahren irgendwie schief und schwankt beim Gehen ein wenig. Also predigte ich ihm jedes Mal, er solle mal endlich zum Orthopäden gehen und sich anständige Schuhe kaufen! Seit ein paar Monaten klagte er nun zudem auch noch über Schmerzen im Fuß und ich vermutete dahinter einen Fersensporn, verursacht durch seine schlechte Körperhaltung und sein billiges Schuhwerk. Der Kerl hat nämlich auch einen Hund, mit dem er täglich mindestens 10 KM spazieren geht. Wenn dem Hund mal was fehlt, wird auch nicht gespart und das Tier bekommt was es braucht, egal was es kostet — hingegen sind die Sportschuhe meines Bekannten abgelaufen und haben wohl kaum mehr als 20 Euro gekostet! Letzte Woche hat er sich dann endlich aufgerafft und ist mal zum Arzt gegangen, die Schmerzen waren letztendlich wohl doch zu groß. Jetzt bekommt mein Bekannter Einlagen und muss sich qualitativ gute, also „teure“ Schuhe kaufen! (Dabei gibt es gute Schuhe schon für unter 100 Euro und ich bin sicher, wenn ich ihm sagen würde, was meine Hogans gekostet haben, würde er glatt in Ohnmacht fallen.)  Ich habe ihn dann mal gefragt, wie es kommt, dass er ohne mit der Wimper zu zucken einen 5-stelligen Betrag für eine neue Haustür oder ein neues Wohnzimmerplafond ausgibt, aber total geizig ist, wenn es um seinen eigenen Körper geht! Er hat gelacht und gemeint, dass sei Generationsbedingt. Er gehöre halt noch zu einer Generation, der man beigebracht hätte, was von selbst kommt geht auch wieder von selbst. Ergo braucht er keinen teuren Schuhe mit Einlagen wegen seinem Fersensporn und auch keine Therapie für seinen Rücken, weil all die Beschwerden irgendwann auch wieder von selber verschwinden! Tja — die Wirklichkeit sieht nun wohl doch anders aus. Aber woran liegt es, dass wir die Prioritäten, wofür wir unser Geld ausgeben, so unlogisch handhaben?

Wie viele Deutsche leiden nicht unter regelmäßigen Rückenschmerzen – aber mal zur Physiotherapie oder Massage — oder mal ins Fitnessstudio gehen, ja das tun sie nur, wenn die Krankenkasse dafür auch die Kosten übernimmt. Lieber geben sie die 500 Euro, die eine Kurzzeittherapie oder das Jahres-Abo im Fitnessclub kostet, für einen neuen Fernseher aus oder ggf. auch für einen neuen Golfschläger. Und natürlich gibt es auch Menschen, die eine Therapie nicht selbst bezahlen können, weil sie zu wenig oder gar nichts verdienen und natürlich ist es auch nachvollziehbar, dass solche Menschen schon auf Sonderangebote achten müssen — aber dieses DEUTSCHLAND MUSS BILLIG betrifft ja nicht nur die, die nicht anders können. Deutschland muss billig, auf dem Sektor Ernährung und Gesundheit, ist meines Erachtens eine Volkskrankheit.

salad-1461388_640food-1283607_640Woran anders liegt es, dass selbst Leute die ein überdurchschnittlich hohes Auskommen oder Einkommen haben, wenn‘s um Lebensmittel oder die eigene Gesundheit geht, plötzlich anfangen zu geizen? Vielleicht habe ich aber auch einfach viel zu lange im Ausland gelebt, um noch wie ein typischer Deutscher zu denken? Ich habe z.B. eine ganz andere Esskultur. So schlinge ich mein Essen auch nicht vor dem Fernseher herunter. Ich brauche Zeit und ein schönes Ambiente, das heißt, bei mir wird der Tisch gedeckt, mit Kerzchen und allem Pipapo und das nicht nur zu besonderen Anlässen. Mir fällt natürlich auch immer wieder auf, dass ich viel zu langsam esse – im Vergleich zu meinen Landsleuten. Während die ihren Teller schon leer haben, bin ich meistens noch nicht einmal auf der Hälfte. Meine Essgewohnheiten habe ich natürlich von meiner Zeit in Spanien übernommen und dass ich meinen Körper regelmäßig etwas Gutes tue, habe ich mir bei den Asiaten abgeschaut. Was würde es mir auch bringen, Golf zu spielen, wenn ich dabei ständig einen verspannten Nacken hätte? Jedenfalls kenne ich kaum einen Hobbygolfer der nicht auch immer über dieses oder jene Zipperlein klagt. So wette ich denn auch, dass man in den meisten Golfbags auch immer eine Schachtel Schmerzmittel findet. Wie wäre es stattdessen, mal öfter ein wenig Ausgleichssport zu betreiben oder mal zur Massage zu gehen? Mal ein oder zwei Bierchen weniger zu trinken und dafür mal ein saftiges Steak mit Kartoffeln und Gemüse essen (oder einen großen Salatteller), statt ein fettiges Würstchen mit Pommes rot/weiß. Aber ein wirklich gutes Steak hat natürlich auch seinen Preis, genauso wie ein anständiger Salatteller und das will halt kaum jemand bezahlen. (Ich nehme hier das Steak als Beispiel, weil ich auch niemanden umerziehen möchte. Dass ich kein Fleisch mehr esse, heißt nicht, dass ich es anderen nicht gönne und ich finde auch nichts Verwerfliches dabei, vorausgesetzt das Fleisch kommt nicht aus einer Massenproduktion.) Aber mit diesen Ansichten — ganz generell — stehen ich und einige andere „Ausnahmen“ wohl doch so ziemlich alleine auf weiter Flur.

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