Als erstes möchte ich mit ein paar Vorurteilen aufräumen. (Ich darf das und ich kann das, weil ich seit über 20 Jahren mit einem Holländer liiert bin und selbst mehrere Jahre in Holland lebte.)
Erstens, es ist nicht wahr, dass Holländer prinzipiell nur Wassertomaten fabrizieren, manch holländische Tomate schmeckt tatsächlich nach Tomate. Zweitens, es ist nicht wahr, dass alle Holländer ein Tulpengesicht haben, manche Holländer sehe tatsächlich wie du und ich aus. Drittens, es ist nicht wahr, dass Holländer kein Autofahren können, manche Holländer schaffen es sogar schneller als 120 km/h zu fahren und das sogar mit Wohnwagen!
Es stimmt auch nicht, dass die Hälfte der Holländer das Land verlassen muss, damit die andere Hälfte Platz zum Wohnen hat ― jedenfalls noch nicht! Wir Deutschen empfinden dies nur so, weil gefühlt jedes zweite Auto, das im Schneckentempo auf der Überholspur fährt, ein gelbes Kennzeichen hat. Theo, mein Lebensgefährte, und ich sind regelmäßig in den USA. Wenn er auf die Frage „Where you guys from“ antwortet „Holland“, erhält er als Resonanz zumeist einen verklärten Blick und ein langgezogenes Stöhnen ― dann ein Seufzen und ein Wort: Koffieshop. (Obwohl Marihuana in den USA in vielen Bundesstaaten schon legalisiert wurde, haben holländische Koffieshops für die Amerikaner immer noch etwas sehr mystisches.) …Wenn ich dann antworte, dass ich aber aus „Germany“ komme, funkeln meist nur noch bei männlichen Fragenden die Augen und das Wort, dass ich dann als Resonanz bekomme, lautet: Autobahn.
Ich habe Theo heute Morgen bei einer Tasse Kaffee gefragt, was ihm an den Deutschen gefällt. Immerhin leben wir nun schon ein paar Jährchen hier, auch wenn die holländische Grenze fast mit dem bloßen Auge noch zu erkennen ist. Theo antwortete, dass er unsere Direktheit mag, dass wir immer noch holländische Wassertomaten kaufen und dass wir prozentual gesehen mittlerweile mehr Wohnwagen besitzen, als die Holländer! — Hm. — Dann habe ich ihn gefragt, was ihm an den Deutschen nicht gefällt. Theo antwortete, ihn störe die deutsche Bürokratie und dass wir in IT und Technik noch so weit hinterherhinken würden. Angesichts der Tatsache, dass Theo sich immer noch weigert, sich ein Smartphone zu kaufen, überraschte mich die Antwort allerdings schon ein wenig. Wahr ist aber, dass Deutschland natürlich sehr viele Novationen (Mit)Entwickelt, selbst kommen sie in unserem Land aus Kostengründen jedoch nicht zum Einsatz.
Dann habe ich für mich überlegt, was mir an den Holländern gefällt. Sie sind viel weltoffener und das kaufmännische, inkl. der Mathematik, ist bei ihnen anscheinend genetisch veranlagt. So konnte man in meinen Augen damals auch niemand geeigneteren für die Einführung des Euros finden, als Wim Duisenberg. Was mir an den Holländern nicht gefällt ist zum einen ihre Duldsamkeit, sie lassen sich zu viel gefallen, und zum anderen die Oberflächlichkeit im Dienstleitungs- und Servicebereich.
…Außerdem finde ich, dass Holländer noch schlechter einparken, als sie Autofahren (Ausnahmen bestätigen natürlich die Regel). Theo hält dagegen, er finde, dass die Deutschen alle den Fahrradsattel zu tief eingestellt hätten. Naja ― ich finde, damit kann man leben. Was Theo auch total absurd findet, sind die vielen „Sonntags-Radfahrer“ mit ihren Sturzhelmen.
Was nun folgt, mag allerdings für einige Leser eine herbe Enttäuschung sein (ähnlich der Tatsache, dass ein Fernsehhund namens Lassie in Wirklichkeit nie existiert hat, denn für Lassie wurden gleich mehrere Collies eingesetzt) ― deshalb mein Rat an alle, die nicht wollen, dass ihr Weltbild in Bezug auf Holland zerstört wird: Bitte überspringt diesen Abschnitt!
….„Frau Antje“, die nette, holländische Käse-Frau mit den blonden Zöpfen und dem Akzent von Rudi Carrell ist bloß ein Produkt holländischer Werbefachleute! Dahinter versteckt sich der holländische Molkereiverband und die ganze Käsemarke, bzw. die verschiedenen Sorten, wie z.B: „Pikantje van Antje“ gibt es in Holland auch gar nicht zu kaufen. Nun ja. Was den Deutschen sein holländischer Gouda von Frau Antje, ist dem Holländer die deutsche Wertarbeit — z.B. von Miele. So sind die meisten Holländer tatsächlich immer noch davon überzeugt, dass es unsere Wertarbeit noch gibt und wundern sich dann, wenn das deutsche Auto oder das deutsche Küchengerät genauso schnell kaputt geht, wie das Teil aus Südkorea oder Japan. Und was Frau Antje angeht, so haben „wir“ ja jetzt Königin Máxima — die ist auch blond. (Vielleicht mögen so viele Deutsche Königin Máxima ja auch bloß deshalb so sehr, weil sie sie an Frau Antje erinnert?)
Etwas haben wir mit den Holländern jedoch gemeinsam: Wir Deutschen sind Weltmeister im klagen! Überall ist das Gras grüner als bei uns selbst und am liebsten klagen wir über die Arbeit, die steigenden (Benzin)Preise, den Partner, die Politik, die Nachbarn und natürlich das Wetter. Nicht unbedingt immer in dieser Reihenfolge, aber trotzdem. Manchmal denke ich, wir sind nur glücklich, wenn wir das Gefühl haben unglücklich zu sein! Und das ist etwas, dass viele Deutsche mit vielen Holländern gemeinsam haben. Versucht es einfach selbst, und beim nächsten Ausflug nach Holland verwickelt einen Holländer mal in ein Gespräch. Die meisten von ihnen reden Deutsch und das sogar ohne Rudi-Carrell-Akzent, also nur zu. Und dann fangt einfach an, über etwas zu klagen. Ihr werdet sehen, im Nu habt ihr einen Freund fürs Leben.
Zum Abschluss noch ein kleines 1 x 1 für die, die schon mal öfter nach Holland fahren: „Doof“ auf Holländisch bedeutet „taub“ und „dom“ bedeutet „doof“. Lakritz auf Holländisch heißt übrigens umgangssprachlich „Drop“. Und holländisches Drop ist mindestens so lecker, wie echter holländischer Käse!
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