Glück

ladybug-1480102_1280Theo sagt, Øsel hätte viel Glück, weil ausgerechnet ich ihn aus dem Tierheim holte. Øsel kann nämlich manchmal ganz schön nerven, wenn er seinen Willen nicht bekommt. Und jetzt, wo er alt ist, braucht er zudem entsprechende Pflege. Nicht jeder wäre wohl dazu bereit gewesen. Und Theo sagt auch, dass ich viel Glück hätte, weil Øsel so unglaublich lieb ist. Nicht jeder Hund, der aus dem Tierheim kommt, ist wohl noch so unvoreingenommen und hat traumatische Erfahrungen so gut weggesteckt wie Øsel.

cornflower-102585_1280Wenn, dann hatten wir wohl beide Glück: Øsel & ich.  Aber das mit Øsel war auch eher Bestimmung als Glück. Gibt es so etwas wie Glück überhaupt? Oder ist Glück bloß so etwas wie Zufall und wenn es keinen Zufall gibt, dann gibt es auch kein Glück? Aber wenn es kein Glück gibt, dann könnte es auch kein Pech geben!

Warum kann jemand in einem Casino eine Glückssträhne haben und ein anderer hat nur Pech? Ist Glück und Pech überhaupt gerecht verteilt oder gibt es in der Tat Menschen die vom Glück (oder vom Pech) „begünstigt“ sind? Bei mir ist es fast immer so, dass wenn es um Dinge geht, die ich selbst nicht in der Hand habe, also die Entscheidung bei anderen lieg, ich immer Pech habe. Das war schon immer so und deshalb mag ich es auch gar nicht, wenn ich solche Dinge anderen überlassen muss! Aber vielleicht hat das ja auch wieder mehr mit Gönnen als mit Glück zu tun.

Ein sehr bekannter Familienaufsteller hat mal gesagt, dass unerwünschten Kindern nichts im Leben gegönnt würde, weil schon die Eltern selbst dem ladybug-179493_1280Kind das Leben nicht gegönnt hätten. Soll das heißen, dass alle ungewollten Kinder im Leben immer nur Pech haben? —Und die Wunschkinder sind dann die vom Glück bevorzugten? Hm, vielleicht wäre das ja mal eine wissenschaftliche Studie wert. Allerdings, derselbe Familienaufsteller hat auch noch so das ein oder andere, andere (dumme) Zeug gefaselt. (Nur weil jemand bekannt ist, schließt das ja nicht automatisch den Umstand aus, dass er nicht auch voreingenommen oder verbohrt sein kann. Vielleicht war er ja bloß ein Wunschkind und seine Bekanntheit hatte demnach rein gar nichts mit Können, sondern bloß mit Glück zu tun? Schade, dass mir das erst jetzt einfällt. Ich hätte ihn gerne mal mit dieser These konfrontiert.)

Jedenfalls, wenn ich etwas erreiche oder bekomme, dann hat das nie etwas mit Glück zu tun, sondern lediglich damit, dass ich bereit bin, mich dafür enorm anzustrengen und dafür auch auf vieles andere verzichte. Also wäge ich auch immer ab, ob sich der „Aderlass“ überhaupt lohnt. Ich habe allerdings auch das Gefühl, dass die meisten Menschen ebenso empfinden wie ich, unabhängig davon, ob sie nun Wunschkinder waren oder nicht. Gibt es überhaupt Menschen, die das Gegenteil behaupten würden und die sagen würden, dass ihnen immer alles in den Schoss fiele, weil sie eben immer ganz viel Glück hätten? Wenn das so wäre, würden sie dies überhaupt zugeben? Weiß ein Mensch der über gute Gesundheit, eine liebende, intakte Familie, über wirklich genug Geld, einen Job der ihm Freude bereitete und der auch sonst im Leben keinerlei Probleme hat oder jemals hatte, überhaupt wie gut es ihm geht — oder gehört er trotzdem zu den ewig klagenden?

ladybug-250425_1280Was ich mir allerdings aus psychoanalytischer Sicht schon ganz gut vorstellen kann und was zudem auch Sinn ergäbe, dass ein Wunschkind bspw. ganz andere Erwartungen hat. Die Eltern eines Wunschkindes würden ihrem Kind selbstverständlich immer alles gönnen — ergo hätte dieses Kind anderen Menschen gegenüber natürlich auch schon eine viel höhere Erwartungshaltung. Ein Kind jedoch dem schon die eigenen Eltern nichts gönnten, erwartet auch nichts von anderen, also bekommt es wahrscheinlich auch eher nichts. —Und dieses Dilemma könnte so jemanden theoretisch auch sein ganzes Leben lang begleiten.

Aber wie ist es mit Dingen auf die wir genaugenommen keinen direkten Einfluss haben? Ist es einfach nur Pech, wenn jemand auf dem Höhepunkt seines Lebens ganz plötzlich an einer Krankheit stirbt, obwohl er immer auf seine Gesundheit geachtete? Und ist es einfach nur Glück, wenn jemand so gut wie nie krank wird, obwohl er mit seinem Körper ausschließlich Schindluder treibt? OK, wahrscheinlich liegt das einfach an den Genen, aber warum hat der eine gute und der andere schlechte Gene? Selbst unter Geschwistern gibt es da ja oft große Unterschiede.

Warum wird jemand der das Glück auch noch herausfordert oftmals dafür belohnt und der andere nicht? Ist das Schicksal oder pures Glück, bzw. Pech? Wenn es letzteres wäre, hieße das, es geschähe rein zufällig, aber Zufälle gibt es nicht, davon bin ich überzeugt. Wenn alles bloß Zufall wäre, warum sich dann überhaupt noch für etwas ins Zeug legen?

macro-191090_1280Kann man Glück (oder Pech) anziehen? Ist jemand der von dem einen oder anderen „Phänomen“ überzeugt ist, eher empfänglich dafür? Dazu gibt es unzählige Bücher — ich selbst habe auch eins dazu geschrieben. Was kann ich tun, um mehr Glück (oder weniger Pech) zu haben? Meine Kartenlegerin meinte dazu, ich sollte mehr auf das Timing achten. Ist es etwa so einfach? Geht es bloß darum, zur rechten Zeit am rechten Ort zu sein, um Glück zu haben. Ist der, der immer Pech hat bloß immer zur falschen Zeit am falschen Ort? Das mag in einigen Fällen wohl tatsächlich so sein. Timing hat ja auch sehr viel damit zu tun, welchen Weg man einschlägt: den kurzen, den langen, den schweren oder den einfacheren. (Aber überhaupt die Möglichkeit zu haben, einen einfachen Weg wählen zu können, impliziert doch schon wieder dass man Glück hat, denn es ist ja ebenfalls nicht bei jedem so, dass es überhaupt die Möglichkeit eines einfachen Weges gibt — oder etwa doch?) Aber vielleicht ist das alles ja auch ein Trugschluss und der Schein trügt, weil das Gras bei anderen eben prinzipiell grüner ist oder der einfache Weg stellt sich zugleich auch als der langwierigste heraus, was die Sache dann ebenfalls wieder verkompliziert.

Fragen über Fragen. Schon Aristoteles hat sich an diesem Thema die Zähne ausgebissen. Das werde ich nicht tun.

ladybug-241636_1280Bildmaterial:
Titelfoto: Ausschnitt aus Angelo Bronzinos Gemälde „Allegorie des Glücks“
Post (Blog) Fotos/Images: Pixabay free images, commercial use & mods allowed

Leave a Comment