Techno als Medium für Psychotrope Substanzen

Was war zuerst da — Techno Music oder Ecstasy? Ganz klar Ecstasy oder kurz XTC. Damit experimentierte das amerikanische Militär schon herum, als die angesagteste Musik im Radio oder auf Partys noch Rock ‘n’ Roll hieß! Amphetamine, und dazu gehört ja auch XTC, hält eben lange wach und das Militär dachte sich, so könnten Soldaten länger einsatzbereit bleiben. Falsch gedacht. XTC hält einen zwar lange wach, macht einen vor allen Dingen aber auch nervös, leicht reizbar und unkonzentriert — alles typische Symptome bei langem Schlafentzug. Folglich stimmt es auch nicht, dass man mit XTC besser denken kann. Das mag mit LSD oder Koks funktionieren, zumindest bis zu einem gewissen Punkt, XTC hingegen wirkt abstumpfend, sicherlich wenn man es über längere Zeit konsumiert. Und vielleicht ist Techno Music deshalb ja auch so monoton und eintönig und irgendwie sicherlich auch abstumpfend. Techno und XTC passen jedenfalls sehr gut zusammen und vielleicht ist das ja auch der Grund, warum XTC sein Comeback zur selben Zeit erlebte, als Techno Music „in“ wurde. Die Frage lautet deshalb: Wäre Techno ohne XTC, oder zumindest ohne Amphetamine, je so populär geworden? Das US Militär stellte die Versuche mit XTC jedenfalls schon bald wieder ein. Die Droge geriet in Vergessenheit. Und ich weiß zwar nicht auf was die Rock and Roll Generation in den 60zigern damals so high wurde (Malzbier?), aber zu der „Make Love not War“ Musik der Hippies in den 70zigern passte wohl sowieso viel besser ein Joint und für die, die unbedingt mal fliegen wollten auch schon mal ein Pillchen LSD. party-629241_640

Jede Musikrichtung hat irgendwie auch seine Droge. So habe ich mir bspw. sagen lassen, dass Liebhaber Klassischer Musik dazu gerne ein Gläschen guten Rotwein bevorzugen. Und es wundert mich auch nicht, dass gerade unter den (Ur)Fans von Pink Floyd damals so viele Heroinsüchte waren. Mir persönlich war deren Musik immer zu negativ/depressiv — insbesondere das Album »Another Brick in the Wall« strahlt für mich bis heute nichts anderes aus als unendliche Hoffnungslosigkeit und tiefe Depression. Für mich musste Musik schon immer etwas Aufmunterndes und Fröhliches (oder etwas Kraftvolles, z.B. Rammstein) haben. Aber nicht, dass jetzt jemand denkt, ich stünde auf Volksmusik! Volksmusik ist so ziemlich das Grauenhafteste was es gibt. Aber auch das ist irgendwie ein schöner Vergleich: Zu Volksmusik passt am besten anscheinend ein Maß Bier oder viel zu süßer deutscher oder österreichschier Weißwein. —Jedenfalls sind das die Getränke, die auf Volksfesten mit Volksmusik hauptsächlich bestellt werden.

Ich weiß noch welches die erste Musik CD war, die ich mir kaufte: The Chimes. Das war 1993 und ich hatte mir damals gerade das erste Auto mit Airbag — und außerdem mit CD-Player gekauft. Dieses Auto, ein Mazda MX5 Miata, läutete bei mir dann auch gleichzeitig das Aus aller Musik-Kassetten ein! Im Laufe der darauffolgenden Jahre haben sich bei mir, bis Dato, so um die 500 CDs angesammelt. Vor etwas über einem Jahr habe ich dann damit angefangen, CD für CD, abends beim Kochen in der Küche abzuspielen und die einzelnen Songs in Playlisten zu ordnen, die ich dann über USB überall abspielen kann. Angefangen habe ich mit den CDs mit House Music, dann kam Funk, Jazz — jetzt bin ich bei Soul/R&B und da war sie wieder, meine erste CD von The Chimes — zusammen mit vielen CDs von George Benson. (Hierzu gibt es ebenfalls einen Blog: From Radio Istanbul to George Benson Live In Concert.)

ball-288470_640Von George Benson besitze ich wohl alle Alben die jemals als CD veröffentlicht wurden — vieles davon stammt aus den 70zigern und 80zigern und wurde erst später als CD herausgebracht. Aber George Benson war das was im Spanien der 80ziger Jahre überall lief. Und Spanien ist das Land in dem ich in den 80zigern und 90zigern lebte. Egal ob am Strand, im Radio oder abends in der Disco. (Ja, damals war der Ausdruck „Disco“ auch noch nicht verpönt und wenn jemand „Club“ sagte, dann meinte er genaugenommen einen Puff.) Gerade nach der Sperrstunde, in Spanien um 4.00 Uhr morgens, spielte man vornehmlich nur noch Jazz, Soul oder R&M in den Discotheken und ganz oben in den Charts stand immer George Benson. (Anmerkung: Sperrstunde in Spanien bedeutete damals übrigens auch nichts anderes, als dass man danach nur noch in die Discothek rein kam, wenn einen der Türsteher kannte oder man weiblich und gutaussehend war.) In der Regel wurde dann solange durchgetanzt bis die Sonne so hoch am Himmel stand, dass man am Strand weiterfeiern konnte. Es war eine total relaxte Zeit. Es wurde viel gekifft und natürlich gab es überall Koks in rauen Mengen und selbst Ecstasy war damals schon ein Begriff — aber letzteres spielte kaum keine Rolle. Die die damals XTC nahmen waren die uncoolen, die abgefuckten, die in die angesagten Discotheken eh nicht reinkamen — und es war eine absolute Minderheit. Die Typen die Amphetamine oder XTC nahmen waren immer irgendwie hibbelig, sahen krank aus und reagierten schnell aggressiv. Cool sein hieß damals relaxe sein. Natürlich waren wir auch ober-arrogant, aber nie aggressiv. Und was gab es schöneres, als nach einer langen Nacht morgens am Strand George Benson zu hören und einen Joint zu rauchen? (Naja, da gab’s schon was, aber das gehört jetzt wirklich nicht hierher.)

deejay-1440961_640Anfang der 90ziger erschienen dann immer mehr After Hour Clubs — und damit tauchte irgendwie auch zum ersten Mal der Begriff „Club“ in Zusammenhang mit einer Discothek auf. Diese After Hour Clubs öffneten in der Regel erst eine Stunde nach der Sperrstunde, also um 5.00 Uhr morgens, und waren geöffnet bis 10.00 Uhr, manche sogar bis 12.00 Uhr mittags. Ich weiß noch, wie ich mit einer Freundin 1991 das erste Mal in einem solchen Club war. Es war gleichzeitig auch das erste Mal, dass ich Techno hörte. Mir gefiel weder der Rhythmus dieser Musikrichtung noch das Ambiente in dem „Club“. Auch das seelenlose und stereotype Gezucke auf der Tanzfläche hatte meines Erachtens nur noch sehr wenig mit Tanzen zu tun. (Oh je,  jetzt merke ich gerade, dass ich just in diesem Moment damals anfing alt zu werden. Sei’s drum.) Ich fragte mich auch, wie jemand diesen Lärm, der meiner Meinung nach genauso wenig mit Musik zu tun hatte, wie der Lärm aus einem Pressluftbohrer überhaupt ertragen konnte —und  genau in diesem Moment hielt mir jemand ein Tütchen XTC unter die Nase. Reden war in dem Schuppen —`schuldigung „Club“ — eh nicht möglich! Dies war das Einzige mal, dass ich einen solchen Club betreten habe. Auch meiner Freundin hatte es dort nicht gefallen und sie prophezeite, dass der Laden nicht lange überleben würde. Ich war anderer Meinung, denn der „Club“ war brechend voll gewesen und in der Tat läuteten die After Hour Clubs dann ja auch das Ende der Disco-Ära ein.

bokeh-21951_640Aber mit der Techno Music wurde auch XTC wiederentdeckt und wurde zum absoluten Klassenschlager! „Endlich hatten auch die uncoolen Typen ihre eigene Musik“, würde ich jetzt gerne sagen, aber das stimmt so wohl nicht. Jede Epoche hat ihre Musik und nach der Epoche der Discomusik folgte die Epoche der Techno Music und so wie es mir damit erging, erging es wahrscheinlich meinen Großeltern, die noch auf Heintje standen, als sie zum ersten Mal Elvis Presley hörten. Aber was beeinflusst die Entwicklung der Musik? Warum gab es ausgerechnet im Mittelalter Barockmusik? Weil die Leute damals auch noch viel behäbiger waren und ein Tag gefühlt viel länger als heute war? Ist Techno vielleicht deshalb so hart, schnell und aggressiv, weil auch die Zeit in der wir leben ähnlich komponiert ist? Können die jungen Generationen von heute vielleicht deshalb bei Techno so gut mitschwingen, weil diese Musikrichtung sich genauso anfühlt wie diese Zeitepoche? Wenn es kein XTC gäbe, hätte Techno dann aber nichtdestotrotz eine Chance gehabt so populär zu werden? (Gibt es überhaupt jemanden der diesen Lärm ohne XTC mehrere Stunden hintereinander ertragen kann?). Und was kommt nach Techno?!

Ich bin jedenfalls überzeugt, dass die niedrige Frustrationsgrenze der heutigen Jungend und die monotone Eintönigkeit die viele von ihnen ausstrahlen — oder fühlen — auch damit zu tun hat, dass sie mit einer so eintönigen und aggressiven und vor allen Dingen phantasielosen Musik aufgewachsen sind. —Zu viel XTC hat dann sein Übrigens dazu beigesteuert.

…und eine Sache beschäftigt mich ebenfalls noch. Wenn jede Musikrichtung auch seine ganz speziellen psychotropen Substanzen „Drogen“ hatte, was war dann die Droge zur Klassischen Musik des 18. oder 19. Jahrhundert? Absinth?

Relevante Blogs: From Radio Istanbul to George Benson Live In Concert.

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