Die Frage kam auf, als Theo und ich am Sonntag vor Weihnachten Besuch hatten. Ich wage allerdings nicht (lt. Wörterbuch) zu definieren, ob es sich bei dem Besuch nun um Freunde oder „bloß“ um gute Bekannte handelt. Für mich sind es „nur“ gute Bekannte die da auf einen Kaffee und ein kleines Schwätzchen vorbeikamen, und ich denke, es ist manchmal tatsächlich besser und einfacher —unkomplizierter, — pflegeleichter, wenn man nur gute Bekannte hat. Die Erwartungen sind nicht so hoch und vielleicht auch deshalb verzeiht man leichter, wenn mal etwas gesagt (oder getan) wird, dass man in den falschen Hals bekommt. Der- oder diejenige hat es halt nicht so gemeint, wie hätte er oder sie auch wissen können, dass damit bei mir ein wunder Punkt getroffen wird? Dazu kennt er oder sie mich ja gar nicht gut genug!
Bei wirklich guten Freunden ist das anders. Da erwartet man vollstes Verständnis und wenn das eigene Handeln noch so töricht, dumm oder verwerflich war. Kritik ist das aller, aber auch wirklich das aller, aller letzte, das man von seinem besten Freund oder seiner besten Freundin hören will! Beste Freunde haben für einen da zu sein, selbst mitten in der Nacht und bei Glatteis. Beste Freunde darf man schonungslos zumüllen, sie murren nicht und sie geben vor allen Dingen auch keine Widerworte! Und nein, ich schreibe hier nicht über die Freundschaft zwischen Mensch und Hund, sondern zwischen Mensch und Mensch.Zurück zu unserem „Kaffeekränzchen“ mit den „guten Bekannten“. Wie wir genau auf das Thema Freundschaft kamen, weiß ich ehrlich gesagt nicht mehr. Jedenfalls war es plötzlich auf dem Tisch und meine Bekannte erzählte von ihrer ehemals besten Freundin und wie diese Freundschaft entzwei ging, weil sie dazu neigte der Freundin immer zu sagen, was sie dachte — woran die Freundin sich mit den Jahren immer mehr störte. (Meine Bekannte selbst störte sich mit den Jahren, laut eigener Aussage, immer mehr daran, in Bezug auf ihre beste Freundin mehr und mehr das Gefühl zu haben gegen eine Wand zu quatschen.) Nun ja, ich kenne meine Bekannte jetzt auch schon ein Weilchen und weiß aus Erfahrung, dass sie — genau wie ich — gerne sagt, was sie denkt. Vielleicht ist das ja auch ein Grund, warum wir überhaupt anfingen, uns locker anzufreunden. (Im Gegensatz zu mir erwartet meine Bekannte allerdings von den Menschen, dass diese etwas mit dem was sie sagt tun. Ich hingegen habe das mittlerweile abgelernt. Ich sage was ich denke, auch durchaus immer noch ungebeten, aber ich erwarte nicht (mehr) dass jemand damit etwas tut.)
Aber darf — oder sollte man sogar — seiner besten Freundin (oder seinem besten Freund) immer sagen, was man denkt? Ich finde schon! Gerade das ist es doch, was Freundschaft ausmacht. Ich persönlich würde sogar von meiner besten Freundin erwarten, dass sie mir sagt, was sie denkt — mich gar kritisiert. Man selbst sieht nämlich nur allzu oft den Wald vor lauter Bäumen nicht und da ist es ungemein viel Wert, wenn jemand anderes einen auf gewisse Dinge mit der Nase darauf stößt. Was oder ob ich dann mit dieser konstruktiven Kritik etwas anfange, bleibt ja nach wie vor mir selbst überlassen. Freundschaft bedeutet ja vor allen Dingen auch Vertrauen und so würde ich auch darauf vertrauen, dass die Kritik ehrlich und konstruktiv ist und nicht mit eigennützigen Hintergedanken geäußert wird oder nur, um mich zu verletzen. Denn sonst wäre es auch keine Freundschaft, sondern etwas Krankmachendes. Leider scheint es aber eher so, dass in vielen Freundschaften zumindest eine Person erwartet, dass der andere, eben weil er der beste Freund ist, sich mit Kritik zurückhält, immer nur Verständnis tont und ansonsten allzeit Gewehr bei Fuß bereit steht.
Meine Bekannte sah das ähnlich wie ich und auch ihr Lebensgefährte und Theo sahen dies so. Was mich betrifft so finde ich auch nicht, dass es bedeutende Unterschiede zwischen Männerfreundschaften und Frauenfreundschaften gibt. Männer sind mindestens genauso neidisch, eitel, geschwätzig, neugierig und boshaft wie Frauen. Ich habe nämlich zum Glück (oder manchmal auch sehr zu meinem Leidwesen) einen Lebensgefährten, der gleichzeitig meine beste Freundin ist. Wenn ich wollte könnte ich ihm durchaus alles erzählen und leider, leider, leider macht auch er rege Gebrauch davon und erzählt mir schonungslos ALLES, auch die Dinge, die ich gar nicht hören will! Wenn Männer untereinander tratschen muss das jedenfalls genauso schlimm sein, als wenn Frauen es tun und deshalb habe ich mich davon auch immer distanziert. Vielleicht ist das ja auch ein Grund, warum ich keine Horde bester Freundinnen habe. Mein Lebensgefährte ist da allerdings das genaue Gegenteil von mir, er braucht das. Ob im Sportstudio an der Theke oder auf dem Golfplatz, wenn irgendwo gequasselt wird, ist Theo meist nicht weit entfernt. Wenn er dann nach Hause kommt, hat er wiederum das Bedürfnis mir alles wiederzuerzählen, am liebsten, wenn wir mit Øsel spazieren gehen. Da hilft es auch nichts, wenn ich mir die Finger in die Ohren stecke und laut „Hänschen klein“ singe! Es interessiert mich beispielsweise nicht, ob ein alter Sack im Sitzen genauso neben das Klo pinkelt, wie im Stehen. Das sind Bilder, die mich monatelang verfolgen!
Noch mal zurück zu unserem „Kaffeekränzchen“ mit den „guten Bekannten“. Meine Bekannte erzählte dann noch von ihrer ehemals besten Freundin, weil sie diese nun nämlich wieder öfter sah, wenn auch nicht ganz freiwillig, sondern bedingt durch ihre Arbeit. Irgendwie stand da wohl doch noch etwas zwischen den beiden und ich schlug vor, es doch vielleicht mit einem Gespräch zu versuchen — immerhin waren die beiden ja auch wirklich über viele Jahrzehnte hinweg sehr eng befreundet gewesen. Auch mir viel noch etwas zu dem Thema Freundschaft ein und ich erzählte wage von einer anderen guten Bekannten (eigentlich schon eher einer Freundin) die sich von einer anderen Freundin in eine geschäftliche Transaktion hatte verwickeln lassen und nun aus der Nummer nicht mehr rauskam, oder zumindest nicht heraus wollte, weil sie dann ein Versprechen hätte brechen müssen, dass sie eben dieser Freundin gegeben hatte. Ich hatte meiner Bekannten/Freundin gesagt, dass diese andere Freundin von ihr meines Erachtens keine echte Freundin sei, denn sonst hätte sie niemals auf ein solches Versprechen bestanden — welches ihr geschäftlich sehr nützt, aber eben nur auf finanzielle Kosten meiner Bekannten/Freundin. Also riet ich ihr, sie solle mit ihrer Freundin reden und das Versprechen zurücknehmen. Wenn es sich bei der Frau nämlich doch um eine echte Freundin handele, würde sie dafür auch absolutes Verständnis haben. Meine Bekannte/Freundin reagierte auf meinen Rat allerdings empört und erbost und bezichtigte mich hinterhältig zu sein, wenn ich es in Erwägung zöge ein einmal gegebenes Versprechen wieder zurückzunehmen. Ich erklärte ihr daraufhin, dass ich ein solches Versprechen wohl niemals gegeben hätte, denn es handelte sich um ein äußerst dummes Versprechen und so riet ich ihr, in Zukunft erst besser nachzudenken, bevor sie Versprechen machte, die sie dann Kopf und Kragen kosten könnten. Aber das war eben genau das, was meine Bekannte/Freundin nicht hören wollte.
So bin ich eben, ich sage was ich denke. Die allermeisten Menschen wollen aber eben genau das nicht hören. Andererseits bin ich aber auch auf gar keinen Fall bereit mich irgendwie für andere so anzupassen, damit es ihnen gefällt. Das ist auch etwas, dass ich nie getan habe. Es hat aber auch durchaus seine Vorteile nicht an jedem Finger 10 Freunde zu haben, die ja auch irgendwie gepflegt und beschäftigt werden wollen. Ich bin natürlich auch sehr beschäftigt mit meiner Arbeit und Langeweile kenne ich nicht. Es gab mal eine Zeit, als ich noch sehr jung war, wo ich dachte, ich hätte eine beste Freundin die mit mir durch dick und dünn gehen würde. Doch dann stellte sich heraus, dass es immer nur eine Zweckgemeinschaft gewesen war, die uns verbunden hatte. Etwas später hatte ich wieder eine gute Freundin und ich lebte sogar eine Zeit damals bei ihr und ihrer Familie. Wir haben bis heute Kontakt, obwohl wir uns komplett unterschiedlich entwickelt und auseinandergelebt haben. Diese Freundin hat noch nicht mal einen PC, geschweige denn Internet oder Smartphone. Sie hat nie gelernt damit umzugehen. Ihr Lebensinhalt sind heute die Shoppingkanäle im Fernsehen. Unser Kontakt beschränkt sich auch nur noch auf gelegentliche Telefonate. Vor allen Dingen von ihr an meinem Geburtstag — auch das ich meinen Geburtstag nicht feiere, weil ich finde, das Älterwerden in meinem Alter kein Grund zum Feiern ist, würde sie bspw. nie verstehen. Viele Jahre später hatte ich dann für einige wenige Jahre eine wirklich gute Freundin, mit der ich offen und ehrlich über alles reden konnte, selbst als diese Freundin schon tot krank war. Allerdings denke ich, dass solche Begegnungen extrem selten sind und wahre Freundschaften idem dito. Was mich angeht, so finde ich das mit den „guten Bekannten“ deshalb auch ganz OK so; es ist zwanglos und entsprechend pflegeleicht. Allerdings sollten so doch auch wahre Freundschaften sein?
P.S.: Der Blog hätte auch folgende Überschrift tragen können: „Vom Luxus seine Zeit frei bestimmen zu können“. Denn ich habe diesen Blog angefangen zu schreiben, gleich nachdem unsere „guten Bekannten“ sich verabschiedet hatten, noch bevor ich den Kaffeetisch wieder abgeräumt hatte.
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