Legalisierte Tierquälerei? Die Geschichte einer Milchkuh.

Rachel Juni 2015 small imageDies ist die Geschichte von Rachel. Rachel ist eine fast 15 Jahre alte, sogenannte schwarz-bunte Holstein Milchkuh. Kennengelernt habe ich Rachel auf meinen täglichen Spaziergängen mit Øsel. Sie stand vor ein paar Wochen abends zusammen mit ein paar anderen Milchkühen auf einer Weide. Als erstes fiel mir ihr enormer Euter auf, der von dicken Blutadern durchzogen, tief auf dem Boden hing. Ich dachte, die arme Kuh muss unbedingt gemolken werden! Zudem trippelte Rachel lahm mit den Hinterläufen auf der Stelle und muhte klagend. Am nächsten Morgen stand Rachel immer noch exakt genau an derselben Stelle. Dabei kam sie mir seltsam steif vor und ich wusste, dass sie große Schmerzen hatte. Da platze mir dann der Kragen! Genau auf derselben Weide erlitt nämlich 2014 eine Milchkuh eine Fehlgeburt. Auch diese Kuh war mir damals aufgefallen und schon Tage vor der Fehlgeburt hatte ich das Gefühl, es ginge ihr nicht gut. Ein paar Tage später lag sie dann mit schweren Koliken morgens auf der Weide. Zwar konnte ich den Bauer ausfindig machen, dem diese Kuh gehörte, aber da war es für das Tier schon zu spät und es musste notgeschlachtet werden. Als ich Rachel nun so in der Weide sah, schwor ich mir, dass diese Kuh nicht sterben würde — nur weil ich zu spät reagiert hätte! Ich kann nicht die ganze Tierwelt retten, aber wohl die Tiere, die mir täglich in meinem persönlichen Umfeld begegnen. Das ist so das Motto, nachdem ich lebe.

Diesmal verständigte ich auch nicht den Bauern, sondern rief gleich das Veterinäramt an. Für mich als Laie sah es wirklich so aus, als platze der armen Kuh gleich das Euter und ich war mir absolut sicher, dies sei auch der Grund, warum Rachel so auf der Stelle trippelte. Wie sollte sie sich mit so einem Euter auch schon hinlegen können? In erster Instanz war das Veterinäramt jedoch nicht sehr entgegenkommend. Vielleicht lag es an meiner Aussage, das Euter der Kuh drohe zu platzen. Anscheinend platzen Kuheuter nicht. Schwangere Kühe eutern auf, so nennt man das, und dieses Aufeutern kann schon ziemlich heftig sein. Also rief ich doch noch den Bauern an und sagte ihm ziemlich bissig, dass — wieder einmal — eine seiner Kühe auf der Weide kläglich zu verenden drohte! Der Bauer wusste gleich, um welche Kuh es sich handelte. Ach, das ist Rachel, meinte er und sagte, die Kuh sei bloß schwanger — da wäre es normal, dass das Euter so dick sei. Und das die Kuh auf der Stelle trippelte läge daran, dass sie unbedingt die Klauen geschnitten haben müsse, er aber seinen Klauenschneider nicht vor Donnerstag erreichen könne. Bis Donnerstag waren es noch drei Tage! Selbst ist die Frau, dachte ich und suchte im Internet nach einem alternativen Klauenschneider und vereinbarte mit diesem für den Tag darauf einen Termin. Da hatte der Bauer die Kuh auch schon wieder von der Weide zurück in den Stall geholt. Und hier endet auch meine heroische Gesichte von der Rettung einer Milchkuh!

Rachel hatte unter beiden, hinteren Klauen große Abszesse. Außerdem war sie nicht nur schwanger, sondern hochschwanger und bekam in dem Klauenschneider einen Kreislaufkollaps. Dabei grätsche sie mit den Hinterläufen aus — was im Normalfall wohl ein Todesurteil für eine Kuh ist, da sie sich dabei einen Bänderriss zuzieht oder eine starke Bänderdehnung. Nur mir viel Zeit und Mühe gelang es uns schließlich, Rachel wieder aus dem Klauenschneider herauszuhieven. Einer hochschwangeren und noch dazu so betagten Kuh, wie Rachel große Abszesse aus den Klauen zu schneiden, ist ungefähr damit vergleichbar, einer hochschwangeren Rentnerin kurz vor der Entbindung und ohne Betäubung zwei Zehen zu amputieren. (Die Tochter des Bauern sagte mir dazu später, Rachel habe auch altersbedingte Arthrose und der Klauenschneider habe ihre Beine unsachgemäß hochgebunden, was Rachel ebenfalls Schmerzen bereitet habe und vielleicht wäre das alles mit dem Klauenschneider der sonst für den Hof arbeitete auch nicht passiert.) Als wir Rachel endlich aus dem Klauenschneider heraus hatten, lag sie erschöpft auf dem Hof und der Bauer machte ihr dort ein dickes Bett aus Stroh. Zu dem Zeitpunkt hatte ich auch schon begriffen, dass er seine Tiere nicht absichtlich vernachlässigte. Dieser Bauer mag seine Kühe und behandelt sie gut. Mag sein, dass er ein wenig Betriebsblind ist — immerhin bewirtschaftet er seinen Hof mit 60 Milchkühen und der Nachtzucht ganz alleine. Der Hof ist alt, sehr alt, aber trotzdem weiß ich mittlerweile, dass es den Kühen und auch allen anderen Tieren dort verhältnismäßig gut geht. Zudem ist Rachel für ihn auch eine besondere Kuh, weil er sie schon so lange hat.

Kurz nachdem der Klauenschneider weg war, kam dann die Tierärztin. Sie war sich ziemlich sicher, dass Rachel einen Bänderriss haben musste und nie wieder würde laufen können. Ihr ging es jetzt nur noch darum, das Kalb zu retten. Meinen Einwand, dass Rachel nicht voll ausgegrätscht war, ihr dicker schwangerer Bauch hatte das verhindert, ließ sie nicht gelten und ignorierte mich stattdessen. Mittlerweile war ich natürlich auch schon ein bisschen zur Persona non grata avanciert — aber das konnte ich weder dem Bauer, noch seiner Tochter verübeln. Immerhin war ich diejenige gewesen, die den Klauenschneider besorgt und die durchgesetzt hatte, dass Rachels Klauen geschnitten und die Abszesse entfernt wurden. Und wenn ich meinen Willen durchsetzen will, tja dann gibt es auch nichts, dass mich daran hindern könnte. In diesem Fall jedoch hatte ich mehr Glück als Verstand! So ein Klauenabszess ist wohl sehr schmerzhaft, bringt eine Kuh aber nicht um. Das Lahmen oder Trippeln auf der Stelle hatte auch weniger mit den Abszessen zu tun, als mit dem Kalziummangel der Kuh. Ist es nicht paradox, dass wir unseren Kindern Milch geben, gerade weil sie so kalziumhaltig ist (Kalzium ist z.B. wichtig für die Knochen und damit auch für das Wachstum) und die Kühe, von denen diese Milch stammt, müssen Kalziumtabletten fressen, damit sie ohne Schmerzen laufen zu können? Wäre es nicht sinnvoller, den Kindern die Kalziumtabletten zu geben? — Zudem, welches Kind trinkt seine Milch denn schon gerne? In der Annahme jedenfalls, dass Rachel eh sterben müsse, verabreichte die Tierärztin dem Tier dann unter anderem Kortison, um die Geburt einzuleiten, bzw. die Geburt zu verkürzen — um so wenigstens das Kalb zu retten. Ich glaube, wenn Rachel oder ihr Kälbchen gestorben wären, hätte ich mir das nie verziehen. Doch später am Abend, ich war schon wieder zuhause, rief mich die Tochter des Bauern an und sagte mir, dass Rachel wieder aufgestanden sei!

Rachel ist unglaublich stark und tapfer. Sie ist eine sogenannte Hochleistungs-Milchkuh, die sogar schon einen Preis dafür bekommen hat, weil sie mehr als 100.000 Liter Milch in ihrem Leben gegeben hat! (Rachel kann bis zu 50 Liter Milch am Tag geben.) Am darauffolgenden Sonntagmorgen brachte sie ein, wenn auch etwas schwaches, aber ansonsten gesundes und bildhübsches Bullenkälbchen zur Welt. Rudolf hat ein tief blau-schwarzes Fell mit strahlend weißen Flecken. Leider ist er ein Bulle und seine Tage sind somit gezählt. Die Bullenkälber von Milchkühen enden nämlich fast ausschließlich in der Bullenmast und diese Tiere sterben jung. Irgendwie ein ungerechter Dank dafür, dass er seiner Mutter indirekt das Leben rettete.

==>Hier geht’s zum Video mit Rachel (Dauer ca. 2 Min.) icon-youtube

milk-1Was mich angeht, so wäre ich jedenfalls gerne bereit, für einen Liter Milch drei oder vier Euro zu bezahlen! Eine einigermaßen gute Flasche Wein zu erzeugen macht weniger Arbeit und die ist dann immer noch mindestens dreimal so teuer! Auch was Butter, Quark, Jogurt und Käse angeht; von mir aus darf das alles ruhig wesentlich teurer werden — so teuer, dass ein Milchbauer keine EU-Subventionen mehr braucht und genug verdient, um seinen Tieren ein anständiges Dasein zu ermöglichen. Dies müsste allerdings auch per Gesetz die Abschaffung dieser sogenannten Hochleistungs-Milchkühe beinhalten. In einer Kampagne für vegane Ernährung habe ich mal gelesen, dass Kühe schwanger sein müssen, um Milch zu geben. Das stimmt natürlich, aber irgendwie hatte ich das bis dahin nicht so realisiert. Jedenfalls stellte ich mir das schrecklich vor, dauernd schwanger sein zu müssen und sah darin dann ebenfalls einen Akt der Tierquälerei. Ein Veterinärmediziner vom Veterinäramt, bei dem sich Rachels Tierärztin dann über mich beschwerte und der mich daraufhin anrief und mit dem ich auch ein sehr langes, aufschlussreiches und gutes Gespräch hatte, sagte mir dazu jedoch, dass ein Rind in freier Wildbahn ebenfalls jedes Jahr schwanger würde — so denn es gesund sei. —Und unter dieser Voraussetzung könnte ich auch das Dasein von Milchkühen akzeptieren: gesunde Kühe, die normal viel Milch geben, für die der Bauer so viel Geld bekommt, dass er davon sich und seine Tiere gut versorgen kann!

Benzin wird ja auch ständig teurer, trotzdem fahren wir deshalb nicht weniger. Zigaretten, und die sind noch gesundheitsschädlich, kosten ebenfalls ein kleines Vermögen — den eingefleischten Raucher interessiert das nicht! Vielleicht hat ein verdreifachter oder vervierfachter Milchpreis ja auch zur Folge, dass wir endlich anfangen, bewusster mit Lebensmitteln umzugehen! Außerdem, Soja Mich schmeckt mir persönlich viel besser als Kuhmilch. Worauf ich nicht verzichten möchte, ist der Käse. Dabei spielt es aber keine Rolle, ob es nun Kuh-, Schafs- oder Ziegenkäse ist. Ich liebe Käse und guter Käse war auch schon immer teuer, entsprechend genieße ich meinen Käse auch. Und wenn wir schon dabei sind, können wir auch gleich alle tierischen Lebensmittel, wie Fleisch und Eier, teurer machen! Jemand der 1 Kilo Gehaktes für unter 2 Euro kauft, glaubt doch nicht wirklich, dass er dafür hochwertiges Fleisch von glücklichen Tieren bekommt? Oder wir verteuern nur die Dickmacher, wie Schokolade, Chips und Alkohol. Die Mehreinnahmen müssten aber dann der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung zugutekommen. Denn was in Deutschland und natürlich auch in den anderen EU-Ländern (ganz zu schweigen von Ländern wie China und Russland) unter dem Schutzmantel sogenannter Gesetze, zum Schutz der Nutztierhaltung betrieben wird, ist meiner Meinung nach nichts anderes als legalisierte Tierquälerei.

Seit ich Rachel kenne, möchte ich jedenfalls immer heulen, wenn mein Lebensgefährte Theo sieben Liter Milch für sieben Tage einkauft. Theo liebt Milch, aber auch er wäre bereit mehr dafür zu bezahlen und natürlich kommt seine Milch auch nicht vom Discounter. Wollte man den Milchpreis erhöhen, müsste man wohl so oder so zuerst den Discountern das Handwerk legen. Auch den Einwand, dass wir armen Deutschen uns keine solche Lebensmittelverteuerung leisten können, lasse ich nicht gelten. Schon alleine der Verkauf von Smartphones und Flat Screens straft diese Aussage Lügen. Für Essen hat der Deutsche immer Geld, leider legt er dabei nicht halb so viel Wert auf Qualität, wie die Südländer. Für den Deutschen muss, wenn‘s ums Essen geht, leider alles billig, billig. Ich denke, es ist höchste Zeit, dass wir unsere Einstellung gegenüber Lebensmitteln und unserer gesamten Ernährung von Grund auf ändern. Vor ein paar Wochen hörte ich, dass Schätzungen zufolge in 15 Jahren fast die gesamte Bevölkerung von Irland übergewichtig sein wird. Wo soll das denn enden?

milk with bloodIch habe „Rachels Bauern“ dann gefragt, was für ihn ein angemessener Preis für einen Liter Milch wäre, den er von der Molkerei bekommen sollte. Er antwortete, für ihn seien 40 Cent für den Liter in Ordnung. Er hat ca. 60 Milchkühe. Das Dumme ist nur, wenn der Milchpreis steigt, schießen diese riesigen Großbetriebe mit mehreren hundert Milchkühen wie Pilze aus dem Boden, weil sich dann mit der Milch viel Geld verdienen lässt. Ergo gibt es eine Überproduktion und der Preis sinkt wieder. Sowas nennt man meiner Meinung nach einen Teufelskreis. Was „Rachels Bauern“ ärgert ist, dass die Discounter die Lebensmittel verheizen — nicht nur die Milch, sondern auch Fleisch, Gemüse, etc. Ich habe ihn dann gefragt, was man seiner Meinung nach ändern müsste. Daraufhin erzählte er mir von der Gülle, gerade hier im Kreis Kleve ist das ein Problem und die Gülle von hier wird teilweise auf LKWs bis in die Eifel oder nach Köln verfrachtet. Außerdem gibt es hier, trotz der hohen Anzahl von Milchbauern, keine einzige Molkerei mehr — also wird auch die Milch durch halb Deutschland gekarrt. Ich wollte auch von ihm wissen, was eine junge Milchkuh denn so kostet. 1.500 Euro im Durchschnitt, sagte er. Im Alter von ungefähr 27 Monaten können diese dann das erste Mal geschwängert werden. Im Fachjargon nennt man das Laktation. Mit jeder Laktation gibt so eine Hochleistungs-Kuh dann mehr Milch — bis zu 50 Liter am Tag. Rachels Bauer erklärte mir aber auch, dass man so nicht rechnet. Man sagt, dass eine solche Kuh in ihrem Leben bis zu 30.000 Liter Milch geben kann. Das Durchschnittsalter einer Hochleistungs-Kuh beträgt allerdings auch nur 5 bis 6 Jahre. Dann sind die Kühe verheizt, meinte Rachels Bauer. Rachel ist die Ausnahme, sie wird im Oktober 15 Jahre alt!

Rachels Bauer wünscht sich, dass man wieder mehr normale Kühe züchtet, die auch nur normal viel Milch geben und dafür aber viel länger leben. (Das mit dem „normal“ sind jetzt meine Worte gewesen.) Die Lebensleistung einer Milchkuh hat sich mit den Jahren nicht wesentlich verändert — allerdings hat die Lebenserwartung erheblich abgenommen. Rachels Bauer bewirtschaftet, seit dem Tod seiner Frau, den Hof ganz alleine. Seine Tochter sagt dazu, dass der Papa deshalb auch nie krank wird. Tja, das Leid der kleinen Selbständigen! Ich habe ihn auch nach den EU-Subventionen gefragt. Natürlich bekomme ich die auch, sagte Rachels Bauer daraufhin. Dann erklärte er mir jedoch, dass dieses Geld mittlerweile ganz für die Pacht von Weide- und Ackerland draufgeht. Die Eigentümer dieser Ländereien hätten ihre Pachten diesen EU-Subventionen angepasst und würden für ihr Land nun viel mehr verlangen, wie früher. Ich denke, dies war wohl auch nicht im Sinne des Erfinders. Und in diesem Zusammenhang gibt es auch noch etwas, über das ich mich immer wundere. Hier am Niederrhein gibt es ja sehr viele Milchbauern. Viele dieser Höfe sind jedoch von Ackerland umgeben und die eigenen Kuhweiden liegen teilweise mehrere Kilometer weit entfernt. Deshalb stehen auf diesen Weiden auch nur die Jungkühe, die noch keine Milch geben — also nicht zweimal am Tag zum Melken in den Stall müssen. In meinen Augen ist das die absolute Idiotie und ich frage mich, warum werden diese Ländereien nicht umverteilt? Oder glaubt hier wirklich noch jemand, dass es hier auch nur einen Acker gibt, der weniger mit Nitrat oder Pestiziden verseucht ist, als andere Äcker oder anderes Weideland?

An diesem Blog habe ich lange geschrieben und ich wollte ihn auch nicht ohne das OK von „Rachels Bauern“ veröffentlichen. Dieses OK kam dann aber immer mehr von seiner Tochter und irgendwie ist dieser Blog dann auch so ein Gemeinschaftsding zwischen mir und ihr geworden, weil sie auch einfach viel mehr über diese Dinge weiß, als ich. Sie hat mich dann auch mit ein wenig Fach- und Hintergrundwissen unterstützt. So sagt sie zum Beispiel, dass es weniger um Bodenqualität geht, als darum, dass nicht jeder Landbesitzer auch an jeden Bauern verpachten möchte. Viele große Betriebe bieten nämlich fast das Doppelte an Pacht, wie kleine Betriebe. Hier am Niederrhein ist zudem der Konkurrenzkampf so hoch, dass sich die Verpächter ihre Pächter aussuchen können. Deshalb sind kleiner Landwirte oft gezwungen, sich ihre Weideflächen weiter weg anzumieten. Zwar gibt es auch etwas das sich Flurbereinigung nennt und wo tatsächlich Ländereien umverteilt wurden, — aber in meinen Augen reicht das nicht. Und vor allen Dingen finde ich, dass der Staat — solange er die Milchwirtschaft subventionieren muss — einen Regelsatz für Weidepacht festlegen sollte, sodass auch Kleinbauern die Möglichkeit haben, sich Weideland vor der Haustüre zu pachten. Milchbauern die ihr Weideland nämlich direkt vor dem Kuhstall haben, können auch die schwangeren, also milchgebenden Kühe, auf die Weide lassen. Ich finde, das ist auch so etwas, dass der Gesetzgeber vorschreiben müsste: Das auch eine milchgebende Kuh das Recht darauf hat, jeden Tag auf die Weide zu kommen. Selbst ein Schwerverbrecher im Knast hat noch das Recht auf Hofgang!

Die Tochter von Rachels Bauern hat mir hierzu zwei Dinge geschrieben, die ich ebenfalls gerne mitteilen möchte. Sie sagt, Kühe auf der Weide stellen auch ein Problem dar. Bei so vielen Kühen ist es nämlich normal, dass darunter auch mal eine kranke Kuh ist. Manchmal wird das kranke Tier auch bewusst auf die Weide gebracht, um ihm etwas Gutes zu tun. —Und dann kommt ein Spaziergänger, wie ich,  vorbei und verständigt gleich das Veterinäramt. Also lassen viele Bauern ihre kranken Kühe lieber im Stall. Es ist auch bestimmt nicht immer einfach, für den Laien abzuwiegen, wie krank so ein Tier nun wirklich ist. Und wen soll ich als aufmerksamer Bürger denn verständigen, wenn nicht das Veterinäramt, wenn ich nicht weiß, wem das Tier gehört? Wie schon erwähnt, liegen die Höfe der Bauern oft Kilometerweit von den Weideflächen entfernt. Außerdem kann so ein Tier nun mal auch erst auf der Weide erkranken und dann ist es vielleicht ganz gut, wenn jemand den Bauern darüber verständigt. Aber ich begreife, dass auch oft das Veterinäramt von aufmerksamen Bürgern verständigt wird und wo sich dann herausstellt, dass dies nicht notwendig gewesen wäre — aus welchen Gründen auch immer. Trotzdem: Lieber zweimal zu oft falscher Alarm, als einmal weggeguckt — das ist meine Meinung. Jedoch habe ich meine Meinung über Milchbauern dennoch gemäßigt, seit ich Rachel und ihren Hof kenne: Es gibt nämlich auch Bauern denen doch etwas an ihren Tieren liegt, auch wenn es für sie Nutzvieh bleibt. Ich persönlich hasse allerdings diesen Ausdruck: Nutzvieh! Es sollte einfach kein Nutzvieh geben. Nutzvieh bedeutet Ausbeuterei. Kein Tier sollte jedoch ausgebeutet werden müssen. Nutzvieh sollte zum Unwort des Jahres gewählt werden.

Die Tochter von Rachels Bauern hat mir noch etwas geschrieben, dass ich ebenfalls einfügen möchte: »Im Verhältnis zwischen Menschen im Knast und Pferden in der Box, wäre ich lieber ein Mensch im Knast. Aber die Boxenhaltung von Pferden ist im Auge des Menschen wohl akzeptiert und für gut befunden. Das ein Pferd, unter anderem, ein Lauf- Flucht- & Herdentier ist, mit den entsprechenden Eigenschaften, wird gänzlich ignoriert. Pferde warten im Winter oft und lange vergeblich auf ihren Besitzer, der sie aus ihrer Box holt, die gerade so groß ist, dass man sich darin um die eigene Achse drehen kann. Kühe leben in Boxenlaufställen, die ein stetiges Maß an Bewegung ermöglichen. Klar, Weidegang ist toll für Kühe, aber die neuen, großen Kuhställe sind so angelegt, dass es sich bei ihnen fast um einen Wellnesstempel handelt: elektrische Massagebürsten, große Laufgänge, Fress- und Schlafbereiche, etc. Am „Kuhwohl“ ist nicht gespart worden. Im Stall bekommt die Kuh immer ausreichend Fressen, das ihr appetitlich und bequem angeboten wird. Die Wände sind hoch und offen. Es strömt immer frische Luft in die Ställe und im Sommer sorgen große Ventilatoren für Abkühlung. Die Kuh hat also alles, was sie braucht. Nur dies entspricht nicht dem Bild einer glücklichen Milchkuh, das in unseren Köpfen steckt. Bei der Tierhaltung ist es unerlässlich zu wissen, wie lebt dieses Tier? Es lebt nicht wie ein Mensch, es hat gänzlich andere Bedürfnisse und diesen müssen wir entgegen kommen. Wir dürfen sie nicht vermenschlichen — das schreibe ich nicht, um die Bedürfnisse einer Kuh herabzuspielen — nein sogar um sie noch deutlicher zu machen! Kühe — gerade Milchkühe, die mit Hochleistungssportlern zu vergleichen sind —, müssen besonders behandelt werden. Es ist nicht schlimm, dass Menschen Milch trinken oder Fleisch essen. Aus diesem Grund leben viele Tiere, aber es ist unbeschreiblich wichtig, WIE diese Tiere leben! Und es ist keine Lösung, einen Festpreis für Milch oder Fleisch festzusetzen. Es ist wichtig, die Haltungsbedingungen der Tiere zu verändern. Und nicht so, dass wir Menschen damit gut leben können, sondern dass unsere Tiere ein schönes Leben haben.«

Ich finde, da hat sie Recht. Mir haben früher bspw. immer die Kühe auf der Weide leidgetan, wenn es draußen „nur“ 10 Grad waren. Gefreut hat es mich für die Kühe, und auch für alle anderen Tiere immer, wenn es 20 Grad oder mehr waren, weil ich dachte, dass sie die Wärme ebenso genießen, wie ich. Heute weiß ich, dass z.B. Kühe sich am wohlsten bei Temperaturen von minus 10  bis plus 10 Grad fühlen. Es geht nicht darum, was wir für gut befinden, weil es uns gut tun würde, sondern darum, was so ein Tier tatsächlich braucht.

Abschließen habe ich „Rachels Bauern“ gefragt, ob er noch mal Milchbauer werden würde. Er antwortete, dass er aus damaliger Sicht wieder Milchbauer werden würde, aus heutiger Sicht aber nicht mehr. Die heutigen Milchbetriebe seien so groß, dass ein Mann alleine sie nicht mehr bewirtschaften könnte — und auf andere Menschen, bzw. Angestellte, angewiesen zu sein, sei nicht sein Ding. Sein Hof wurde von seiner Familie schon vor dem 2. Weltkrieg als Pachtbetrieb bewirtschaftet. Nach dem Krieg kaufte dann sein Vater den Hof.

Es wäre schön gewesen, wenn auch der Veterinärmediziner vom Veterinäramt diesem Blog etwas hinzugefügt hätte. Als ich mit ihm telefonierte, hatte ich jedenfalls das Gefühl, als habe er eine ganze Menge zu dem Thema zu sagen. Deshalb schickte ich ihm einen Entwurf dieses Blogs per Email, mit der Bitte dem doch das Anzumerken, was ihm dazu einfiele — immerhin nenne ich hier ja auch keine Namen. Leider hat er sich nicht wieder gemeldet.

Seit dem Tag, als ich Rachel so steif und unbeweglich auf der Weide stehen sah, sind mittlerweile schon einige Wochen vergangen. In der ersten Zeit war ich jeden Tag bei ihr und habe ihr eine Tüte Mohrrüben gebracht. Durch den Sturz im Klauenschneider hatte sie auch ein ganz dickes und entzündetes Knie (was auf dem Video ebenfalls noch zu sehen ist.) Rachel steht seither jedenfalls auf dem Hof. Der Bauer bringt sie tagsüber zwar für ein paar Stunden auf eine kleine Weide, die direkt an seinen Hof grenzt, aber gegen Abend holt er Rachel immer wieder zurück in den Stall. Rachels Stall ist der Älteste von allen Ställen. Außer ein paar Kälbern ist sie dort meist alleine und hat ihre Ruhe. Im Gebälk des Stalls nisten die Schwalben und irgendwie habe ich in dem Stall immer das Gefühl, die Zeit sei dort schon vor 50 Jahren oder mehr stehen geblieben. Allerdings will ich den Leuten dort auch nicht zu sehr auf den Wecker fallen, deshalb besuche ich Rachel jetzt nur noch ein- bis zweimal in der Woche. Ich mag es sie zu füttern und ich glaube Rachel mag es, von mir anschließend gekrault zu werden. Die Tochter des Bauern und ich halten lockeren Kontakt und sie informierte mich auch gleich, als Rachel eine sogenannte Verlagerung des Labmagens hatte. Dies tritt oft nach einer Kalbung auf. Durch eine kleine OP konnte der Labmagen jedoch wieder an seinen Platz  gerückt und dann festgenäht werden. Auch diesen Eingriff hat Rachel gut überstanden. Momentan geht es Rachel also wieder gut — so gut jedenfalls, wie es einer (fast) 15 Jahre alten Hochleistungs-Milchkuh gehen kann. Entsprechend hatte diese OP auch eher einen sentimentalen Wert, denn als „Nutzvieh“ hat Rachel ihre Zweckdienlichkeit wohl erfüllt.

Dieses Foto zeigt Rachel mit ihrem gerade geborenen Bullenkälbchen Rudolf.

Rachel & Rudolf Mai 2015-1

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Rachel mit dem Kopf in meinem Schoss, damit ich sie kraulen kann.

Rachel Juni 2015 small image

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Post (Blog) Fotos: Rachel Copyright by Kristine Weitzels
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